Landstuhl (Rheinland-Pfalz)

Karte Pfälzerwald.png Datei:Karte Verbandsgemeinde Landstuhl.png Landstuhl – derzeit ca. 8.400 Einwohner - liegt im Landkreis Kaiserslautern südwestlich der Kreisstadt und ist Verwaltungssitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde (topografische Karte 'Pfälzer Wald', Lencer 2008, aus: wikivoyage.org/wiki, GFDL  und  Kartenskizze 'Landkreis Kaiserslautern', Titus Groan 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Landstuhl - Stich von Merian um 1645 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Urkundlich nachweisbar ist die Vertreibung von jüdischen Familien aus Landstuhl im Laufe des 16.Jahrhunderts.

Die Wurzeln einer neuzeitlichen jüdischen Gemeinde in Landstuhl wurden erst 1868 gelegt, als sich wieder eine jüdische Familie hier ansiedelte. Bis Anfang der 1930er Jahre nahm die Zahl der hier lebenden Juden langsam, aber stetig zu. Seit den 1890er Jahren bemühten sich Gemeindemitglieder in Landstuhl, einen Synagogenneubau voranzutreiben; ein eigenes dafür gebildeter Verein sollte die Pläne realisieren; allerdings kam es nicht dazu. Im Hause einer jüdischen Familie in der Kanalstraße fand sich die kleine, aber wachsende Gemeinde zu Gottesdiensten zusammen; die angemietete Räumlichkeit war zu einer Synagoge umgebaut worden.

Religiös-rituelle Aufgaben der Gemeinde verrichtete zeitweise ein eigener Lehrer; später wurde der Religionsunterricht der Kinder von auswärtigen Lehrern erteilt.

                         aus: "Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 23. Juni 1911

Im Ort hatte man der Judenschaft 1896 ein kleines Beerdigungsareal - im Anschluss an den kommunalen Friedhof an der Kaiser-/Friedhofstraße - zur Verfügung gestellt; die erste Beerdigung fand hier 1900 statt. In den Jahrzehnten zuvor hatte man den jüdischen Friedhof in Herschberg genutzt.

Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Kaiserslautern. 

Juden in Landstuhl:

         --- 1868 ......................... eine jüdische Familie,

    --- 1875 ......................... 19 Juden,

    --- 1885 ......................... 42   “  ,

    --- 1908 ......................... 52   “   (in 15 Familien),

    --- 1925 ......................... 81   “  ,

    --- 1930 ......................... 76   “   (in 22 Familien),

    --- 1933 ..................... ca. 55   "  ,

    --- 1936 ......................... 54   “  ,

    --- 1937 ......................... 47   “  ,

    --- 1938 (Dez.) .................. 26   “  ,

    --- 1940 (Sept.) .................  7   “  ,

             (Nov.) .................. keine.

Angaben aus: Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, S. 184

und                 Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, S. 230

 

Wirtschaftsgrundlage der hiesigen jüdischen Familien waren der Viehhandel und Ladengeschäfte.

             https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20192/Landstuhl%20Israelit%2027081900.jpg Kleinanzeige der Reinheimer Söhne aus Landstuhl von 1900

In den Jahren nach der NS-Machtübernahme verließen nach und nach die jüdischen Einwohner Landstuhl und zogen zumeist in größere Städte, wie Kaiserslautern und Saarbrücken. Mehrere Wohnungen jüdischer Bürger wurden am Morgen des 10.November 1938 von SA-Angehörigen demoliert; auch der Betraum in der Kanalstraße wurde verwüstet, Kultgegenstände entwendet bzw. teilweise der Polizei übergeben. Nach dem Pogrom gelang es nur wenigen Landstuhler Juden, sich durch Emigration ins sichere Ausland zu retten; ein Teil der jüdischen Familien verzog nach Frankfurt/Main. Von den Deportationen nach Gurs im Oktober 1940 waren sieben Juden aus Landstuhl betroffen.

18 gebürtige bzw. länger im Ort ansässig gewesene Juden Landstuhls wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/landstuhl_synagoge.htm).

 

An der historischen Stadtmauer vor der Zehntenscheune erinnert seit 2008 eine bronzene Gedenktafel namentlich an die 20 jüdischen Opfer aus Landstuhl; die Initiative dazu war von Schüler/innen des Sickingen-Gymnasiums ausgegangen.

2019 wurde in der Kanalstraße eine Gedenktafel enthüllt, die an die Ereignisse der Pogromnacht und namentlich an die aus Landstuhl deportierten Juden erinnert; der Text ist zweisprachig abgefasst.

                 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20434/Landstuhl%20Gedenktafel%20201911%20011.jpgGedenktafel (Aufn. Ulli Heist, 2019)

Das vom kommunalen Friedhof durch eine Mauer abgegrenzte jüdische Begräbnisareal weist ca. 50 Grabstätten auf.

Jüdischer Friedhof Kaiserstr. Landstuhl.jpgJüdisches Gräberfeld (Aufn. Peter 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Robert Müller, Die vormals jüdische Gemeinde in Landstuhl, in: "Westricher Anzeiger 1974"

Paul Roland, Die jüdische Geschichte in Landstuhl, in: "Heimatkalender für Stadt und Landkreis Kaiserslautern 1982"

Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau/Pfalz 1986

Alfred Hans Kuby (Hrg.), Juden in der Provinz. Beiträge zur Geschichte der Juden in der Pfalz zwischen Emanzipation und Vernichtung, Verlag Pfälzische Post, 2.Aufl. Neustadt a.d. Weinstraße 1989

Angaben der Stadtverwaltung Landstuhl, aus: Theodor Knocke, Chronik der Sickingenstadt Landstuhl, o.J.

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 230

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 110

Sonja Tophofen/u.a., In Erinnerung an die Landstuhler Opfer jüdischen Glaubens unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, hrg. vom Grundkurs Geschichte des Sickingen-Gymnasiums Landstuhl, Landstuhl 2008

Landstuhl, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Historie)

Frank Schäfer (Red.), Gedenktafel erinnert an deportierte Juden – Ein Zeichen gegen das Vergessen, in: „Wochenblatt“ vom 11.11.2019